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Kapitel 15 - Der B.O.F.H. erzieht den Pickelgesichtigen Jüngling (PJ)

Es ist ein ruhiger Montagmorgen, als ich in mein Büro komme und die Anwesenheit eines Wesens bemerke, welches nur als Pickelgesichtiger Jüngling (PJ) bezeichnet werden kann. Zu allem Überfluß hat dieses Wesen meinen Schreibtisch übernommen. "Hallo!" keucht der PJ. "Ich bin der neue Auszubildende, den sie letzte Woche angefordert haben."

Anstatt anzuhalten, nehme ich meine Tasche und mache sofort kehrt, um in Richtung des Büros des Abteilungsleiters davonzustürmen. Der informiert mich in sehr deutlichen Worten, daß die Lohnabrechnung, die er nach meinem Bewertungsgespräch in der vergangenen Woche erhielt, in keiner Weise zu dem beigetragen hat, was der flüchtige Beobachter wohl als Rache bezeichnen würde. Reiner Zufall, daß er den PJ jetzt angestellt hat, behauptet er ...

Er erklärt mir außerdem, daß der PJ nicht nur bleiben, sondern mich auch irgendwann ablösen soll. Ich soll ihn zu einem absoluten Fachmann ausbilden. Traurigerweise ist in meinem Büro nur Platz für einen, aber das kann noch warten.

...

"Ich habe die Anrufe entgegengenommen, als sie weg waren!" ruft mir der PJ zu, als ich zurückkomme und wedelt mit einem Stapel ´Während sie weg waren´-Notizen. Ich entscheide mich, so zu tun, als stimme ich voll und ganz mit dem Abteilungsleiter überein.

"In Ordnung, sortieren sie sie ein und dann beobachten sie dann das hier", sage ich und schalte den Netzwerk-Monitor ein.

"Wo soll ich sie einordnen?"

"In den Aktenschrank." sage ich.

"Aber ich kann keinen sehen ..."

"Der runde ..."

"... auf dem Boden ..."

"JA, IN DER ECKE!!"

"Ein Anruf war aber wichtig!" keucht er.

"Das ist ein Netzwerk, hier sind alle wichtig. Jetzt ist es von Bedeutung zu erkennen, welche Nutzer wirklich wichtig sind, wenn sie anrufen."

"Oh, kann man das denn?"

"Das kann man nicht. Es war nur ein Witz. Das hier ist ein Netzwerk, okay? Sie nehmen, was sie kriegen können und sind damit zufrieden, oder sie bekommen ein ´Upgrade´ auf ein 150 Baud-Modem mit einem nicht isolierten Netzteil."

"Wie haben sie es geschafft, ihren Job zu behalten?"

"Hmm. Eine clevere Mixtur aus überlegener Intelligenz, Unersetzbarkeit und unbarmherziger Erpressung, wenn es nötig ist. Das hat bisher funktioniert. Nun, ich verwette meinen nächsten Lohnscheck darauf, daß 90 Prozent der Beschwerden an diesem Morgen von der Lohnbuchhaltung kamen - oder irre ich mich etwa?"

"Nein, sie haben Recht! Ist deren Netzwerk fehlerhaft?"

"Nein, das ist mehr ein Protokoll-Problem."

"Was? Etwa mit dem TCP/IP-Protokoll?"

"Nein, eher eines von der Art ´Wenn Simon Rückerstattungen für technische Handbücher fordert, dann schickt ihn weit, weit weg´. Wirklich, es ist zwar nicht dokumentiert, aber ein De-facto-Standard hier."

"Und was tun wir wegen dieser Fehler?"

"Nichts. Wir erklären, daß es sich um einen unvorhersehbaren Fehler handelt, der möglicherweise irgendwo in einem technischen Handbuch beschrieben wird. Dann installieren wir die ´Niemals-versagende-Netzwerkproblem-Lösungstechnik´."

"Was ist das?"

"Wir lösen alle Probleme durch ein ´Router-Reset´."

"Ich verstehe nicht ..."

"Das ist doch ganz einfach!! Irgendwer ruft wegen eines ´Netzwerk´-Problems an. Du gehst hin und schaltest den Router ab und startest ihn neu. Dann gehst du durch die Abteilung und erklärst, daß du es tun mußtest, da der Anrufer ein dringendes Problem hatte, das nicht warten konnte. Es ist faszinierend, wieviel Feindseligkeit man auf diese Weise in nur einer Woche innerhalb der Abteilung erzeugen kann. Wenn man wirklich etwas erreichen will, dann tut man das etwa 10 Minuten vor der Mittagspause - niemand speichert seine Arbeit vor der Pause, so daß sich dann die Programme aufhängen und sie alles verlieren, was sie bis dahin getan haben."

"Was passiert dann?"

"Wir ´tun natürlich auch nur unseren Job´. Aber oben in der Abteilung entsteht eine demilitarisierte Zone! Dinge verschwinden, Mittagessen werden mit Pfeffer ´verfeinert´ und dann, langsam aber sicher, hören die Anrufe auf. Wenn jemand einen Ausfall hat, rufen sie nicht mehr uns an, sondern die Service-Abteilung."

"Und was tun die?"

"Sie schreiben eine ´Während sie weg waren´-Notiz."

"Und dann?"

"Dann geben sie sie uns."

"Und wir ..."

"SORTIEREN SIE EIN!"

"Was tun wir sonst noch?"

"Wir beobachten, wie das Netzwerk wirklich arbeitet, finden Engpässe und planen Upgrades für die nächste Budget-Runde."

"Wirklich?"

"Ach was. Sind sie gut in ´Immortal Kombat´?"

"Naja, es geht so."

"In Ordnung, der Gewinner macht den nächsten Reset, der Verlierer kauft Krapfen."

Das leben an der Spitze ist hart, aber es ist, was man daraus macht ...

Der B.O.F.H. trifft einen ebenbürtigen Gegner, behält aber die Oberhand ... vorerst ... Überraschenderweise scheint die Ausbildung des PJ gut zu verlaufen. Er bemüht sich, alles richtig zu machen, aber ich bezweifle, daß das auch noch in ein paar Wochen so ist, wenn er mit ein paar schwierigen Klienten zusammentreffen wird ... Ach ja, unsere Klienten. Einer unserer schlimmsten Klienten ist kürzlich zurückgetreten, nachdem ein paar wirklich sehr persönliche Fotos im Speicher einer geliehenen digitalen Kamera ´vergessen´ wurden. Das ist eine sehr seltsame Sache, denn die Löschfunktion funktionierte perfekt, als ich die Kamera vor einer Woche ´wartete´. Die Sache wäre wohl weniger schlimm ausgegangen, wenn der Finder nicht eines der Bilder als Startlogo aller Windows-PCs auf seiner Etage eingerichtet hätte. Das Opfer hat natürlich behauptet, daß jemand das Bild bearbeitet und gefälscht habe. Doch alle waren der Meinung, daß es nicht das Bild war, das da ´bearbeitet´ wurde.

Arme Sau.

Der PJ ist besorgt und benötigt offensichtlich Rat.

"Wo liegt das Problem?" frage ich.

"Ich verstehe nicht, wie dieses Bild auf alle PCs gelangen konnte."

"Ach so. Ich schätze, daß es jemandem gelungen ist, in den Programm-Server einzubrechen und das Bild auf die verschiedenen Desktops zu bringen."

"Aber der Server ist durch ein Passwort geschützt. Und das Versionsverwaltungsprogramm auch. Wie konnte das passieren?"

"Jemand muß das Passwort herausgefunden haben", antworte ich und warte auf das Unvermeidliche.

"Aber nur sie und ich haben Passwörter, und ich erst seit gestern."

"Notieren sie sich die Passwörter?"

"Nun, ja. Aber der Zettel liegt in meinem abgeschlossenen Fach."

Ich schüttle traurig den Kopf. "Und wer hat Schlüssel zu dem Fach?" frage ich.

"Nur sie und ich."

"Und waren sie es?"

"Nein."

"Dann können wir diese Möglichkeit verwerfen. Also muß ich es gewesen sein, der das Fach geöffnet und die Passwörter benutzt hat, um sich mit einer anderen Identität beim Server anzumelden."

"Sie waren es?!"

"Natürlich. Sie denken doch, daß es niemand anderes gewesen sein kann, oder? Gott, die einzige weitere Person mit mehr Zugriffsrechten ist der Systemmanager, aber der ist so langsam, daß er ein Abschleppseil braucht."

"Warum haben sie das getan?"

"Weil sie lernen sollen, was Sicherheit bedeutet. Ich bin mir sicher, daß sie diese Erfahrung bei ihrem nächsten Job, der sie irgendwann nach dem morgigen Tag erwartet, nutzen können."

"A ... a ... aber."

"Kein Grund zur Aufregung."

"Aber ich wollte sagen, daß sie mich doch nicht dazu bringen wollen, Onkel Brian zu sagen, daß das mein Fehler war. Das können sie doch nicht tun!"

Warnlampen an!

"Onkel Brian?"

"Onkel Brian. Sie kennen doch das große Büro im 6. Stock. Das mit den Ledermöbeln. Ich würde ihrem Bericht an den Geschäftsführer nur ungern widersprechen."

ONKEL Brian ... Onkel Brian. Der Geschäftsführer. Ich hätte es wissen müssen. Das ist keine einfache Sache, sondern ein Riesending.

"Nun, vielleicht ist es besser, diese Angelegenheit einem Hacker von draußen anzuhängen", sage ich so freundlich wie ich kann.

"Oder einem Hacker aus unserem Haus ..."

Der PJ lächelt bedrohlich.

Dieser hinterhältige Bastard! Möglicherweise steckt mehr in ihm, als ich dachte. "... wie unser Abteilungsleiter." fügt er hinzu und läßt mich vom Haken.

Gott sei Dank ...

"In Ordnung", sage ich schnell, bevor er das riesige Potential von Erpressungen erkennt. "Sie sagen es Onkel Brian und ich werde einen Zettel mit ihren Passwörtern auf den Schreibtisch vom Abteilungsleiter schmuggeln."

"So machen wir es!"

Zehn Minuten später beobachten wir bei süßen Krapfen, wie ein weiterer Chef aus den geheiligten Hallen der Hölle hinausbegleitet wird.

"Sie wissen, daß er ihnen diesen Job gegeben hat", sage ich.

"Ja. Aber für Sentimentalität ist jetzt keine Zeit." antwortet er. Wirklich, ein PJ voller Potential ...

"Okay, was sollen wir nun tun?" fragte er lernbegierig.

"Nun, ich denke es ist Zeit, den Stecker eines Remote-Rechners zu ziehen und die Leute anzurufen. Wir erklären ihnen dann, daß die Etiketten ihrer EPROMs ungültig sind und sie sie an einem gut beleuchteten Ort abziehen sollen. Irgendwo, wo die Sonne hell scheint."

"Würde das nicht ...?"

"Yep."

"Legen wir los."

Einen Job wie diesen zu haben, kann man nicht BEREUEN!
 
 
 
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12.2.06