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Kapitel 16 - Der B.O.F.H. kennt keine Störungen in seinen Druckersystemen

Es ist ein angenehm kühler Morgen, als ich zurückgelehnt in meinem Sessel liege und die nächsten Überraschungen im Leben der Netzwerknutzer plane. Nun, es ist angenehm kühl für mich. Aufgrund eines bedauerlichen Fehlers in der Klimaanlage herrschen in allen anderen Zimmern Temperaturen, die entweder denen der Arktis oder denen der Tropen gleichen.

Einige aus der höheren Belegschaft haben versucht, die Brandschutztüren zu den Treppen zu öffnen, die den Luftausstausch blockierten, doch seltsamerweise wurde dadurch mehrmals Feueralarm ausgelöst. Die Sicherheitsleute sorgen seitdem dafür, daß diese Brandschutztüren geschlossen sind. Natürlich nur zur Sicherheit aller. Aufgrund all dieser Aktivitäten ist es in meinem Raum, in dem es zu dieser Zeit normalerweise recht hektisch zugeht, ziemlich ruhig. Überraschend hat sich der PJ als ein Fanatiker mit einem kaum menschlichen Gesicht entpuppt. Er hat es geschafft, den Personalchef zu ´überreden´, ihn zu einem Kurs über ´Grundregeln des Managements´ zu schicken ... nach Paris. Nicht schlecht für einen Nicht-Manager und Anfänger - könnte das etwas mit dem E-Mail-Filter zu tun haben, den er im Mailsystem der Personalabteilung installiert hat? All diese jungen Sekretärinnen ...

Ich denke, daß mein Tag friedlich und ohne Unterbrechungen durch sinnlose Anfragen vergehen wird. Ich klopfe auf Holz.

Zu spät. Das Telefon klingelt. Es ist ein Nutzer.

"Hallo, ich schreibe dieses Programm, um unsere Drucker aufeinander abzustimmen, um zu sehen ..." Ich lege auf.

Es klingelt erneut: "Hallo, ich schreibe ..." Ich lege auf.

Wieder klingelt es: "Hallo, ich ..." Ich lege auf.

Die Lernfortschrittskurve dieser Menschen ist beinahe horizontal, so daß man auf ihr Bowling spielen könnte. Ich lasse den Hörer neben der Gabel liegen. Zehn Minuten später klopft der Kauz an meine Tür. Ich habe gerade noch Zeit, den Telefonhörer wieder auf die Gabel zu legen, dann kommt er auch schon herein.

"Hallo, ich habe versucht, sie anzurufen, doch ihr Telefon muß defekt sein ..."

"Ich deute auf die ´Konsole der Hölle´ und schüttle meinen Kopf. "Das ist die Konsole", sage ich leise, "sie geht niemals kaputt."

"Na gut, dann ..."

"Ihr Telefon", fahre ich fort, "hat eine Lebenserwartung von drei bis fünf Jahren, aber dieses Baby hier wird noch am Weltuntergangstag funktionieren. Es wird auch dann noch Anrufe dummer Nutzer annehmen."

Der Kauz ist verblüfft. Er versucht, seine Gedanken neu zu ordnen. Da klingelt das Telefon. "Sehen sie, was ich meine?" sage ich und nehme den Hörer ab.

"Mein PC ist schon wieder abgestürzt. Das passiert immer, wenn ich auf mein Netz-Laufwerk zugreifen will." schluchzt ein deprimierter Nutzer.

"Aha." sage ich und suche die Ausrede des Tages im Ausredenkalender. "Es könnte sich um VORÜBERGEHENDE KNOTENVERDOPPLUNGEN handeln."

"Was?"

"Nun, ihr PC stürzt ab, weil er doppelte Dateien auf dem Fileserver und ihrer Festplatte findet.

"Oh. Was soll ich tun?"

"Nun, das Beste wird sein, sie melden sich beim Fileserver an und machen ein remove-rename."

"Und wie?"

"Geben sie einfach ein rm -rf ein. Das bedeutet remove minus rename, alle nur einmal vorhandenen Dateien werden nicht umbenannt."

"Oh, in Ordnung. Danke."

"Gern geschehen." ich lege auf. Der Kauz ist noch immer hier.

"Ich schreibe ein Programm ..." setzt er an.

"... um die Drucker abzustimmen." vollende ich.

"Ja."

"MEINE Drucker." stelle ich fest.

"Ähm ... ja."

"Warum?"

"Nun, ich dachte, daß ich einmal pro Sekunde abfrage, welche Druckaufträge sie gerade bearbeiten und wie schnell sie waren."

"Warum?"

"Um zu sehen, ob es irgendwelche Engpässe im Netzwerk gibt."

"Wie, um ein Beispiel zu nennen, einen Engpaß, der dadurch verursacht wird, daß die Drucker einmal in der Sekunde auf die Anfrage eines ´intelligenten´ Programms antworten müssen?"

"Ich dachte, daß das kein Problem wäre."

"Das dachten sie nicht", sage ich, ändere die Temperatur im Treppenhaus auf Null und erhöhe die Luftfeuchtigkeit. "Aber sie haben das Programm schon laufen lassen, stimmts?"

"Nun, ein- oder zweimal vielleicht."

"Nein, mehr als ..." (Ich zähle die roten Punkte, die der Druckerwarteschleifen-Monitor zeigt.) "Mindestens 17mal, wenn ich richtig gezählt habe. Sie schicken eine falsche SNMP-Anfrage an die Drucker, die natürlich nicht antworten. So geht es weiter, und sie schicken eine weitere Anfrage an den nächsten Drucker."

"Ich ... nun, es könnte sein ..."

"MEIN Problem ist nun: Wen soll ich damit beauftragen IHR Problem zu bearbeiten? Vielleicht meinen beinahe wahnsinnigen Auszubildenden, dem beigebracht wurde, unnötige Netzlast mehr zu hassen als Wiederholungen von ´Unsere kleine Farm´? Oder möglicherweise die Programmierer, die Möchtegernprogrammierer mehr hassen, als sie es hassen, zu arbeiten wenn die Kneipen geöffnet sind? Wissen sie, ich werde einfach alle fragen."

Er ist verschwunden und hat seinen sechsmonatigen Spanienurlaub schneller geplant als ich es schaffe, den Telefonhörer neben den Apparat zu legen. Ich schaue im Monitor zu, wie er zu den Treppen stürmt, um zu flüchten. Dummerweise kondensierte im nun kalten Treppenhaus ein wenig Wasser auf dem Linoleumbelag, so daß er ausrutscht und ein paar Treppen nach unten rollt. Auf seinem Weg aus dem Gebäude heraus wirft er eine Gruppe Erbsenzähler um, die begierig zu ihren Summen zurückkehren wollen.

Als er aus dem Haus hinkt, kommt mir ein Gedanke: Man kann Zufriedenheit mit dem Job eben nicht planen. Nun, jedenfalls nicht wirklich, schätze ich ...
 
 
 
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12.2.06