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Kapitel 19 - Der B.O.F.H. sorgt für Normalität

Ich sitze in meinem Büro und genieße die Musik aus meinem Radio, als ein ´Kollege´ aus einem weiter entfernten Büro im meiner Tür erscheint.

"Ja?" frage ich und blicke ihn an.

"Ähm. Könnten sie ihre Anlage etwas leise stellen - ich versuche, einige Arbeiten zu erledigen und da fällt es mir schwer, mich zu konzentrieren."

Er ist neu hier, überlege ich, statt Politik der verbrannten Erde hat er eine großzügige Chance verdient.

"Entschuldigung", sage ich mit einem wirklich zerknirschten Gesichtsausdruck und drehe den Lautstärkeregler von 11 auf 2.

Sehr zur Verwunderung der anderen Kollegen, die ihren Freunden schon die freie Stelle melden wollten, verläßt er fröhlich mein Büro.

Sogar der Abteilungsleiter bemüht sich her, um zu sehen, ob ich wirklich da bin. Als er wieder geht, bemerke ich den Anflug eines Lächelns in seinem Gesicht.

Fünf Minuten später ist er wieder da und fragt mich, ob ich ihm bei der Installation einer Backup-Software für seinen Laptop helfen könne. Ich weiß nicht warum, doch anstatt die DELETE.EXE in BACKUP.EXE umzubenennen, richte ich die Backup-Software tatsächlich ein.

...

Jetzt bin ich sicher, daß irgendetwas nicht stimmt. Ich rufe meinen Beinahe-Freund, den Pickelgesichtigen Jüngling (PJ), an und frage, was er so macht.

Er erklärt mir, daß er die Probleme einiger Nutzer gelöst und einem Buchhalter geholfen hat, seine Maschine nach einem Umzug wieder zum Laufen zu bringen.

Jetzt bin ich wirklich besorgt. Ganz bestimmt läuft irgendetwas falsch! Er hat das ´B´-Wort benutzt und nicht das übliche ´Erbsenzähler´.

Der nächste Tag bricht an und ich beginne ihn mit der Reparatur einiger Telefone. Aber mit dem Herz bin ich woanders. Am frühen Nachmittag bringe ich die Apparate zurück und entschuldige mich sogar für die Unannehmlichkeiten. Der Abteilungsleiter lächelt noch immer.

Ich war vorsichtig und habe nichts gegessen. Also muß es etwas anderes sein. Etwas sehr, sehr hinterhältiges. Nach einer langen Schlacht mit meinem Gewissen werfe ich einen Blick in die Liste der vom Abteilungsleiter genehmigten Einkäufe, wobei ich mein Gewissen damit beruhige, daß ich dies ja nur tue, um dafür zu sorgen, daß die Bestellungen auch korrekt ausgeführt werden.

Ich finde, wonach ich zu suchen glaubte, und zwar in Form von 10 ´Ultra-Positiv´-Ionisierern, die in die Klimaanlage eingebaut wurden. Noch kann ich mich nicht dazu bringen, etwas zu unternehmen, also gehe ich in den Druckerraum, schalte die Klimaanlage ab und die Laserdrucker auf volle Kraft. Eine halbe Stunde später bin ich beinahe wieder normal. Ich beende meine Arbeit und gehe nach Hause, um über einen Plan nachzudenken.

Am nächsten Morgen stehe ich früh auf und komme unbeobachtet zur Arbeit. Mein erster Halt: der Turm der Klimaanlage auf dem Dach. Ich lokalisiere die störenden Ionisierer und programmiere sie mit meinem Hammer neu. Der nächste Halt: das Büro des Geschäftsführers, wo ich den Ionisierer durch einen von mir gebauten ersetze und gut verstecke. Dann marschiere ich in die Telefon-Vermittlung, sorge für eine Umleitung aller Anrufe direkt zum Geschäftsführer und sperre dann die Konsole der Vermittlungsanlage. Unten im Computerraum forme ich einen Stolper-Draht aus den Netzkabeln der Datenbank- und Netzwerkserver. Dann erwarte ich in meinem Büro, die Fenster natürlich weit geöffnet, den Beginn des Arbeitstages.

Bis 9:45 Uhr passiert nichts, doch nach 15 Minuten voller Anrufe und nach der Einwirkung meines Ionisierers ruft der Geschäftsführer genervt meinen Abteilungsleiter an. Ich beobachte es und rufe, sobald der Abteilungsleiter aufgelegt hat, den Geschäftsführer an.

"HIER IST NICHT DIE VERMITTLUNG!" schreit er.

"Natürlich, Sir. Das weiß ich", sage ich voller Freundlichkeit und Verständnis. "Ich habe gerade festgestellt, daß anscheinend alle Anrufe von der Vermittlung an ihren Apparat umgeleitet werden. Die Konsole der Anlage in der Vermittlung ist auch blockiert. Überhaupt, die Leute aus der Vermittlung verhalten sich in den letzten Tagen recht seltsam - nun, in Wahrheit haben wir uns in der letzten Zeit alle seltsam benommen, glaube ich. Ich werde mich mal im Computerraum etwas umsehen ..."

Der Abteilungsleiter schaltet in den Panik-Modus, fegt durch mein Büro, reißt die Tür des Computerraums auf. Und dann die Netzkabel der Server heraus.

Ich schenke ihm ein mitleidiges Lächeln, als er mit Schrecken feststellt, was er gerade angerichtet hat.

"Home Team ONE, ihre Zukunftsaussichten, NULL", sage ich in den Telefonhörer, die Hand natürlich vor dem Mikrofon. "Nichts weiter passiert", sage ich dann, die Hand nicht mehr auf dem Mikrofon. "Der Abteilungsleiter hatte gerade einen kleinen Unfall ..."
 
 
 
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12.2.06