[<< Kapitel 22] [Kapitelübersicht] [Kapitel 24 >>] |
Kapitel 23 - Der B.O.F.H. ist dem Wahnsinn nahe und der PJ folgt ihm Es ist ein ruhiger Tag, als der Abteilungsleiter mit einem Stapel offiziell aussehender Papiere im mein Büro kommt, was nur eins bedeuten kann - er will einen weiteren Versuch machen, mich loszuwerden. Eine große persönliche Tragödie wird sich ereignen. Und sie wird nicht mich betreffen ... "Simon, schön, daß ich sie treffe!" Angesichts der Tatsache, daß es 14:30 Uhr am Zahltag ist und gerade keine teure Hardware rumliegt, die bequem in meine Geldtasche passen würde, ist seine Freude geheuchelt. Er versucht offensichtlich, von seinen wahren Motiven abzulenken. "Ich habe eine Anweisung vom Personalchef bekommen. Der Boss will, daß wir alle an persönlichen Interviews teilnehmen, bevor es in diesem Jahr Gehaltserhöhungen gibt. Die ´Lohnerhöhungs-Fabel´ wurde schon früher benutzt, und normalerweise erweist sie sich als riesige Übertreibung. Wie auch immer, eine Lohnerhöhung ist eine Lohnerhöhung, also nicke ich nur. Der Abteilungsleiter schöpft Kraft aus der Tatsache, daß er schon so weit gekommen ist und fährt fort. "Ihr Interview ist für den morgigen Tag um 10:00 Uhr angesetzt. Ist das in Ordnung?" fragt er voll geheuchelter Freundlichkeit. "Natürlich habe ich dann Zeit", antworte ich unschuldig wie Bambi lächelnd. Der Abteilungsleiter dankt mir und geht hinaus, wobei er ein selbstgefälliges Grinsen kaum unterdrücken kann. Ja, es liegt etwas in der Luft ... Der nächste Morgen bricht an und ich bin schon um 9:00 Uhr da, um den Eingang zu beobachten. Die Zeit vergeht ereignislos bis 9:48 Uhr, als sich mein Verdacht bestätigt. Eine blasse, abgezehrte Gestalt mit nachdenklichem Bart, Brille und medizinisch wirkendem weißen Hemd nebst unauffälliger Krawatte betritt das Gebäude. Ein Mittelklasse-Psychologe, wenn ich mich nicht zu sehr täusche. Ich gehe zum PJ, um kurz mit ihm zu sprechen. Er nickt einfach. Wortlos meldet er sich bei den verschiedensten Kontrollsystemen an, wobei er den Kopf schüttelt. Beim Interview, einem typischen Psychologen-Ding, geht es um Tintenkleckse, Geschichten über die Kindheit, Träume und so weiter ... Ich entscheide mich dazu, Bestleistungen zu zeigen, und sehe massenhaft Hexen und Mörderinnen in den Tintenklecksen, ´erinnere´ mich an einige verstörende Kindheitserlebnisse und erzähle, daß in all meinen Träumen Äxte, Gewehre und ähnliche ´Spielzeuge´ auftauchen. Eine Stunde später scheint der Psychologe die Ruhe selbst zu sein, lächelt viel, läßt mich aber keinen Moment aus den Augen. Ich lächle ihn an. "Kaffee?" frage ich. Er ist zu ängstlich um abzulehnen und nickt. Kaum eine Minute später erscheint der PJ schon mit Kaffee und beobachtet gespannt, wie es weitergeht. Ich lächle weiter, um die Stimmung aufrechtzuerhalten. Ein Haufen Sicherheitsdienstler stürmt herein, als wir etwa die Hälfte des Kaffees getrunken haben. Offenbar versuchen sie nicht nur, mich loszuwerden, sondern mich gleichzeitig auch bloßzustellen - möglicherweise, um sich der Loyalität des PJ während meiner Abwesenheit zu versichern ... Der Psychologe scheint sprechen zu wollen. "Simon, ich fürchte, sie sind das, was wir als Soziopath bezeichnen. Sie haben einige tief verwurzelte Probleme, die ich als von der Regierung bestellter Gesundheitsberater ..." Regierung? Diese Schweinehunde! "... als Gefahr für sie selbst und ihre Kollegen ansehen muß." Er ist wirklich schnell, oder? Er scheint sich nun auch ein wenig unwohl zu fühlen, was nicht überraschend kommt, wenn man an das starke Abführmittel, das der PJ mit dem Kaffee mischte, denkt. Aber warten wir ab ... Den inneren Kampf verlierend, zu bleiben und auszuharren oder sich zu erleichtern, stürmt er zu den Toiletten, um festzustellen, daß sie verschlossen sind, wenn ich mich nicht irre. Seltsam, denn der einzige Schlüssel, mit dem man sie verschließen kann, ist der Generalschlüssel, der im Hi-Tech-Safe des Sicherheitsdienstes (drei Drehungen zur 37, zwei Drehungen zur 12 und einmal zur 45) aufbewahrt wird, dessen Kombination niemand kennt. Während der Psychologe rennend das Treppenhaus erreicht, kommt der Abteilungsleiter herein und nimmt mit teuflischem Grinsen meinen psychiatrischen Beurteilungsbogen. Hämisch grinsend geht er mit mir zurück ins Büro, aber ich bin viel zu beschäftigt damit, die Monitore der Überwachungsanlage über seiner Schulter zu beobachten. Der Psychologe versucht den kürzesten Weg zur nächsten Toilette zu nehmen - eine Etage tiefer. Seltsamerweise ist auch hier die Tür verschlossen ... In der Etage darunter gibt es eine Tür, die nicht verschlossen werden kann, doch acht große Kisten mit 28 Zoll-Videomonitoren, von denen jeder rund eine Tonne wiegt, blockieren sie. Man bräuchte einen Gepäckwagen um die Kisten zu bewegen ... Der Psychologe weiß, daß er es nicht mehr bis zu den Treppen schaffen wird, als er einen rettenden Hoffnungsschimmer in Form eines Abfalleimers im Lieferanteneingang der Cafeteria erblickt. Seine Erleichterung ist riesig, doch sie wird weder vom Personal der Cafeteria, das ihn zur Unzeit überrascht, noch von meinem Abteilungsleiter geteilt, als ich ihn auf den Monitor hinweise. "Es ist wirklich gut, eine Einschätzung der Angestellten von einem so umsichtigen und intelligenten Mann zu bekommen", zwitschere ich, als ich ihm meine Beurteilung aus den Händen nehme und in den Mülleimer werfe, den die Beurteilung nun als neue Heimat betrachten kann. |
[<< Kapitel 22] [Kapitelübersicht] [Kapitel 24 >>] |